Statement des IVEPA Vorstand zum ÖGGH Positionspapier
Die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) hat im Juni 2025 ihr Positionspapier zum Thema „Sedierung bei gastrointestinalen Endoskopien“ vorgestellt. Der IVEPA-Vorstand hat die Inhalte sorgfältig geprüft und in einem anschließenden Gespräch mit Vertreter*innen der ÖGGH zentrale Punkte aus pflegerischer Sicht erörtert. Dabei konnte kein vollständiger Konsens erzielt werden.
Ziel dieses Statements ist es, die Position des IVEPA-Vorstands zu den weiterhin offenen Themen transparent darzulegen und die pflegerische Sicht auf Grundlage geltender gesetzlicher Bestimmungen, hygienischer Anforderungen und organisatorischer Rahmenbedingungen zu erläutern.
3. Prozedurales Management
3b) Geschultes Personal und Aufgabenverteilung
ÖGGH Positionspapier:
20. Die Sedierung soll von qualifizierten ÄrztInnen eingeleitet werden, welche ausreichend in der Anwendung von Sedativa und im Management von möglichen sedierungsassoziierten Komplikationen geschult sind.
Geschultes und qualifiziertes nicht-ärztliches Personal (diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal, DGKP; Operationstechnische Assistenz, OTA) kann anschließend unter Anweisung die Verabreichung und das Monitoring der Sedierung übernehmen. Regelmäßige interdisziplinäre Fortbildungen können der Sicherheit der Arbeitsabläufe dienen.
(Die rot markierte Stelle wird in der neuen Version des Positionspapiers herausgenommen da das MAB-Gesetz die Sedierung und Überwachung durch OTA nicht vorsieht).
IVEPA Stellungnahme:
Der Ivepa Vorstand hat schon Ende 2024 eine rechtliche Anfrage zum Thema „Sedierungsverabreichung durch OTA“ an OMRin Maga iur. Karin Klenk – Leiterin Fachbereich Aufsicht und Qualitätssicherung der Stadt Wien - gestellt.
Auf diese Rechtsinformation stützt sich die Stellungnahme des Ivepa Vorstands wie folgt:
Die Einbindung von operationstechnischen Assistenzen (OTA) in die Sedierungstätigkeit ist aus heutiger rechtlicher Sicht in Österreich nicht zulässig. Das Berufsbild der OTA ist im MAB-Gesetz abgebildet. Die OTA ist hinsichtlich Kompetenzen und Aufgabenbereich im Setting OP der Spezialisierung Pflege im Operationsbereich gleichwertig, der Aufgabenbereich beider Berufsgruppen ist gesetzlich geregelt. Der wesentliche Unterschied zwischen OTA und DGKP liegt darin, dass eine DGKP, zusätzlich eine allgemeine bzw. generalisierte Ausbildung hat, die sie unter anderem zu Kompetenzen und Tätigkeiten gemäß §14 und §15a GuKG befähigt.
Unter den §15 fallen unter anderem:
- Vorbereitung und Verabreichung von Injektionen und Infusionen
- Das Legen und der Wechsel von peripher-venösen Verweilkanülen
- Die Durchführung der Patient*innen-Überwachung während und nach der Endoskopie.
Diese Tätigkeiten sind nicht im Aufgabenbereich (Berufsbild) der OTA gemäß § 26a MAB-Gesetz angeführt. Es handelt sich im MAB-Gesetz um eine taxative Aufzählung.
Das bedeutet, dass der Gesetzgeber den Umfang der zulässigen Tätigkeiten einzeln und abschließend festgelegt hat und darüber hinaus keine zusätzlichen Kompetenzen und Tätigkeiten durch Auslegung oder Interpretation hinzugefügt werden können.
Dem zufolge, dürfen OTA aktuell laut Gesetz weder Infusionen oder Injektionen (einschließlich Propofol) verabreichen noch sedierte Patient*innen überwachen. Laut Aussage von OMRin Maga iur. Karin Klenk wäre eine Erweiterung der Kompetenzen von OTA im Bereich der Sedierung, nur durch eine Gesetzesänderung (MAB-Bundesgesetz) möglich.
Ein Curriculum kann ausschließlich Tätigkeiten beinhalten, zu welchen die genannte Berufsgruppe (OTA) vom Gesetzgeber (MAB-Gesetz) legitimiert ist.
Der IVEPA-Vorstand empfiehlt daher, dass derzeit Sedierungs- und Überwachungstätigkeiten ausschließlich von entsprechend qualifiziertem und gesetzlich legitimiertem Pflegepersonal durchgeführt werden.
3c) Interventionen und Komplikationserfassung
ÖGGH Positionspapier:
21. Bei PatientInnen mit niedriger ASA-Klassifikation (ASA 1 und ASA 2) kann bei diagnostischer Gastroskopie und/oder Koloskopie (inkl. Polypektomie bei kleinen, leicht abzutragenden Polypen) die Sedierung mit Propofol durch die/den die Endoskopie durchführende/en ÄrztIn und/oder assistierende/en DGKP/OTA durchgeführt werden.
IVEPA Stellungnahme:
Im aktuellen Positionspapier der ÖGGH wird für „einfache“ Eingriffe bei Patient*innen der ASA-Klassifikation I–II eine Besetzung mit einer Pflegeperson als ausreichend beschrieben.
Aus pflegerischer Sicht ist jedoch festzuhalten, dass Pflege im Krankenhaus eine eigenständige Profession, mit eigener Leitungsstruktur und Verantwortlichkeit darstellt und nicht dem ärztlichen Personal unterstellt ist. Auch wenn der Arzt/die Ärztin bei medizinisch-diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen die Anordnungsverantwortung hat, entscheidet der gehobene Pflegedienst, bezüglich der jeweiligen Übernahme (Übernahmeverantwortung).
Auch die deutsche S3-Leitlinie empfiehlt nach wie vor die Anwesenheit von zwei zusätzlichen Personen (meist Assistenzpersonal) zusätzlich zum Untersucher / zur Untersucherin im Zuge von endoskopischen Untersuchungen.
- Aus hygienischer und organisatorischer Sicht ist eine gleichzeitige Durchführung der
Sedierung und Assistenz durch eine einzelne Pflegeperson ebenfalls, nicht mit geltenden Richtlinien vereinbar. Wenn zusätzlich die Endoskop-Führung durch die Pflegeperson erfolgen soll, entstehen Überschneidungen von Aufgaben, welche die Patient*innen-Sicherheit und die Prozessqualität beeinträchtigen können.
Auch aus Sicht der Krankenhaushygiene wäre ein solches Vorgehen äußerst kritisch zu sehen, da es sich bei den Tätigkeiten einerseits um das Hantieren mit potentiell infektiösen Materialien (z.B. Stuhl) und andererseits um eine klassische aseptische Tätigkeit (z.B. Propofol-Verabreichung) handelt.
Die Alternative „Handschuhdesinfektion Zwecks Arbeitserleichterung“ zwischen beiden Schritten ist in diesem Fall nicht möglich, da beim Endoskopieren (potentiell) eine Verunreinigung der Handschuhe entsteht, womit sich vor der aseptischen Tätigkeit ein zwingender Handschuhwechsel mit vorheriger Händedesinfektion ergibt.“
Mit nur einer Assistenz besteht die Gefahr, dass die hygienischen Erfordernisse unter Zeitdruck/Stress im klinischen Alltagsbetrieb vernachlässigt werden, wodurch sich ein erhöhtes Risiko für die Patient*innen ergibt.
- Eine Personaleinsatzplanung, die sich an der ASA-Klassifikation orientiert, kann im
Krankenhaus erst unmittelbar vor der Untersuchung erfolgen. Dadurch wäre eine vorausschauende und effiziente Personalplanung erheblich erschwert bis unmöglich.
Eine Besetzung mit nur einer Pflegeperson ist nur unter folgenden Bedingungen vertretbar:
- die ASA-Klassifikation liegt ärztlich dokumentiert als I - II vor – keine ASA III - IV-Patient*innen
- die Endoskop-Führung erfolgt durch den Arzt bzw. die Ärztin
- die Pflegeperson stimmt der Durchführung unter diesen Voraussetzungen zu
Empfehlungen zur Personalausstattung sollten sich an qualitäts- und sicherheitsrelevanten Standards orientieren. Es gilt die Ziele: Patient*innen-Sicherheit sowie Qualität und Verantwortung in der Pflegetätigkeit hochzuhalten und sicher zu stellen.
4. Nach der Untersuchung
4a) Entlassungskriterien
ÖGGH Positionspapier:
23. Die Überwachung nach der Sedierung, Entlassungskriterien in den ambulanten und stationären Bereich und weiterführende Verhaltensmaßnahmen (Instruktion bei Komplikationen, Hinweis auf 24-Stunden Notfall-Service, Verkehrstauglichkeit) soll in einem schriftlichen, standardisierten Entlassungsbogen bzw. Endoskopiebefund dokumentiert werden. Bei ambulanten Endoskopien sollte in Abhängigkeit von Alter, Allgemeinzustand, Komorbiditäten, Risikoprofil und der während der Endoskopie verwendeten Substanzen (insbesondere bei Verwendung von Midazolam) die Entlassung in Begleitung erfolgen.
IVEPA Stellungnahme:
Die Formulierung im Positionspapier, in Bezug auf die Entlassung in Begleitung, ist unserer Ansicht nach irreführend. Es ist klar auszudrücken, dass nach Endoskopien in Sedierung, die Entlassung immer in Begleitung erfolgen soll.
4b) Einschränkungen
ÖGGH Positionspapier:
24. „Verkehrstauglichkeit“: Für PatientInnen sollte nach einer Sedierung in Abhängigkeit von der verwendeten Substanz für einen Zeitraum von 12 bis 24 Stunden ein aktives Fahrverbot gelten (z.B. 12h für Propofol als Monotherapie, 24h für Midazolam), es sollten keine Maschinen bedient und keine legal bindenden Dokumente unterzeichnet werden.
25. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sollte individuell unter Berücksichtigung der verwendeten Substanzen und des Berufes festgelegt werden. Bei Berufen mit hohem Risikoprofil (Piloten, Berufskraftfahrer, Kranführer usw.) sollte die Arbeitsunfähigkeit großzügiger bemessen werden.
IVEPA Stellungnahme:
Der Begriff „aktives Fahrverbot“ ist hier nicht ausreichend, denn dieser schließt „zu Fuß gehen“ und „Bus oder Bahn fahren“ nicht mit ein. Hingegen würde die Aussage „nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen“ die oben genannten Punkte miteinschließen. (siehe S3-Leitlinie)
Es muss beachtet werden, dass im Fall von Entlassung ohne Begleitperson (diese Ausnahmen müssen geregelt sein), der Transport der Patient*innen mit dem Taxi (Krankentaxi) oder dem Krankentransport erfolgt.
Die Patient*innen sollen beim Aufklärungsgespräch auf diese Entlassungsaspekte hingewiesen werden. Mit der Unterschrift und Einwilligung zur Sedierung, bestätigen diese, die Informationen zu Einschränkungen nach einer Sedierung verstanden und akzeptiert zu haben.
Zusammenfassung
Der IVEPA-Vorstand bekennt sich zu einer interdisziplinären, konstruktiven Zusammenarbeit mit der ÖGGH und anderen Fachgesellschaften. Ziel ist es, sichere, rechtlich korrekte und qualitätsgesicherte Abläufe in der Endoskopie zu gewährleisten. Pflegepersonen tragen durch ihre fachliche Kompetenz wesentlich zur Patient*innensicherheit und Prozessqualität bei. Empfehlungen zur Personalausstattung, Aufgabenverteilung und Sedierung sollen daher stets im Einklang mit geltendem Recht, Hygienerichtlinien und pflegerischer Verantwortung stehen.
Der IVEPA wird die weitere Entwicklung zu diesem Thema aufmerksam verfolgen und begleiten und seine Mitglieder laufend über neue Informationen informieren.