Keine Angst vor der Endoskopie

Eine kritische Reflexion über die emotionale Patientenbegleitung

Der Großteil der Menschen, die zu uns in die Endoskopie kommen, hat Angst – Angst vor dem Krankenhaus, den unbekannten Abläufen, den fremden Menschen, denen sie dort begegnen werden, und auch vor den Befunden, die sie nach den Untersuchungen erwarten. Sie fühlen sich dem Krankenhausapparat ausgeliefert und haben keinerlei Kontrolle über das, was mit ihnen geschieht. Wesentliche Untersuchungsschritte entziehen sich ihrem Einfluss, sie geschehen einfach. Es kommt zu einem Gefühl der Hilflosigkeit, man fühlt sich ausgeliefert und paralysiert. Die logische Reaktion auf diese umfassende Verunsicherung ist Angst. Wir treffen diese Menschen täglich in unseren Wartezimmern. Sie haben schon Tage der aufkeimenden Angst hinter sich, sind entweder nur nüchtern oder auch mit einem abführenden Mittel auf die kommende Untersuchung vorbereitet.

Vielschichtige Ängste

Die Ängste unserer Patientnnen und Patientinnen sind vielschichtig. Sie reichen von vergleichsweise kleineren Sorgen, ob sie das Abführmittel richtig eingenommen haben und sauber sind, bis zur Befürchtung, während der Untersuchung munter zu werden. Man weiß, dass akute Angst im Zuge eines Eingriffs zu einem höheren Schmerzmittelverbrauch, 
einer längeren Verweildauer und einer labileren Gesamtverfassung führen kann. Angst tritt besonders dann auf, wenn die Betroffenen nicht von Angehörigen, Pflegenden und Ärzten bei der Bewältigung ihrer Sorgen unterstützt werden. Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass weniger Angst einen komplikationsloseren Eingriff begünstigt (1, 2).

Die häufigsten Ängste unserer Patientinnen und Patienten: 


  • Angst, dass der Arzt eine schwere Krankheit entdecken könnte. Betroffene fürchten sich vor einer schlimmen Diagnose, meist vor einer unheilbaren Krankheit
  • Angst vor Nadeln oder vor Blut
  • Angst vor einer schmerzhaften Untersuchung
  • Manche Untersuchungen werden als peinlich empfunden
  • Angst, sich im Warteraum mit Viren anzustecken


Der Kreislauf der Angst:

Zu Beginn treten häufig körperliche Symptome, wie Herzrasen oder Schwindel auf. Innerhalb von wenigen Minuten entwickelt sich dann der Teufelskreis der Angst, wobei sich körperliche Anspannung und negative Gedanken wechselseitig aufschaukeln.

Reflexion: Wie wir unsere Patientinnen und Patienten unterstützen können


Seit vielen Jahre betreue ich meine Patientinnen und Patienten so, wie auch ich gerne in dieser Situation behandelt werden möchte. Mit Achtung und Respekt ihren Ängsten und Gedanken gegenüber, die ich versuche einzuschätzen, wenn ich sie begrüße.
Das ist jedoch gar nicht so einfach, denn jeder äußert seine Angst anders. Manche Menschen reden ununterbrochen, andere sind einfach nur schlecht aufgelegt, wirken cool, aber schwitzen und zittern und vermeiden Blickkontakt. Oft wird die Situation heruntergespielt oder zynisch kommentiert. Die Kunst ist, in wenigen Augenblicken zu erkennen, was genau gebraucht wird. Das können sehr ruhige und einfühlsame Worte sein, oder auch einfache, bestimmende strukturierte Sätze, um eine Rahmenbedingung zu schaffen. Der Umgang mit Angst wird von Patientinnen und Patienten oft als unpersönlich, zu wenig einfühlsam und wenig zuwendend beschrieben (3, 4). Hier ist für uns wichtig, dass wir professionell auftreten. Für ein Gespräch ist Voraussetzung, dass dieses in ruhiger Umgebung, ohne viel Ablenkung durchgeführt wird. Um Vertrauensbildung aufzubauen, stellt sich die betreuende Pflegeperson mit Namen und Funktion vor. Ein kleines Zwischengespräch, über den Beruf oder Kinder lockert die Situation immer etwas auf. Durch diese Kommunikation wirken wir vertrauenswürdig und finden einen guten Zugang zu den Patientinnen und Patienten. Wenn diese Bindung zwischen der Pflegeperson und der Patientin oder dem Patienten durch interessiertes Zuhören entsteht, kann gut vermittelt werden, dass wir während der Zeit der Sedierung und der Endoskopie ausschließlich für sie oder ihn da sind. Diese Kommunikation sollte mit verständlicher Terminologie geführt werden und den Patienten zu Rückfragen ermuntern. Oft wiederholen diese die Gesprächsinhalte mit eigenen Worten und können die Vorgänge damit besser verstehen. Immer wieder haben wir eine sprachliche Barriere, die wir aber mit einem Dolmetscher gut umschiffen und somit viel Angst abbauen können. Von besonderer Bedeutung ist, dass wir die Patienten auf die geplante Untersuchung auch emotional vorbereiten. Dazu kann die Pflegeperson die Untersuchung in Hinblick auf die notwendige Vorgehensweise beschreiben und erläutern, was man vielleicht schmerzhaft empfindet oder in der Sedierung einfach „verschläft“. Auch die Vermittlung eigener Erfahrungen des Pflegepersonals können der Patientin oder dem Patienten helfen, die Untersuchung angstfreier zu bewältigen. Alle Abläufe sind somit von einer individuellen emotionalen Begleitung des Patienten gekennzeichnet, die diesen dabei unterstützen soll, einen gewissen Grad an Wohlbefinden zu erlangen.


Ausblick

Trotz allgemeiner Tendenzen, Arbeitsabläufe und Untersuchungen zu beschleunigen, ist es für uns als Pflegepersonal ganz wichtig zu verstehen, dass ein paar Minuten Zeit für unsere Patienten alles bedeuten kann – eine weniger angstbehaftete Untersuchung mit weniger Komplikationen. Als Pflegeperson übt man professionelle Fürsorge aus, wir sorgen für eine angenehme Atmosphäre und vermeiden sowohl Lärm als auch Hektik. Durch Augen und Körperkontakt und einer angemessenen Sprache bauen wir Vertrauen auf. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass solchermaßen betreute Patienten oftmals weniger Sedierungsmittel benötigen. Die Ausschlafphase gestaltet sich für den Patienten entspannter, da er weiß, wo er aufwacht und wie der nachfolgende Tagesablauf für ihn aussehen wird. Viele Patienten haben im Rahmen der Vorsorge laufend Kontrolluntersuchungen. Gerade für sie ist ein angstfreier Untersuchungsablauf Voraussetzung, damit sie ohne Angst wiederkommen. Wenn uns das gelingt, haben wir unseren Job gut gemacht.


LITERATUR

1. Steinmayr, R.; Reuschenbach, B. (2011) Erfassung von Angst im Krankenhaus
2. Krohne, H.W. (1996) Angst und Angstbewältigung
3. Geisler, L. (1992) Arzt und Patient – Begegnungen im Gespräch
4. Tausch, A.-M. (1982) Gespräche gegen die Angst. Krankheit – ein Weg zum Leben
Flüssige Medikamente in der Endoskopie